Facharztforum Saar e.V.

Berufsverband der saarländischen Fachärzte


16. Saarländischer Fachärztetag 2024 - 22.06.2024


Einladung

Am 22.06.24 fand der 16. Saarländische Fachärztetag im Saarrondo statt. Rund 100 Teilnehmer hörten das Grußwort des Ministers Dr. Magnus Jung. Er adressierte alle relevanten Probleme, die wir seit Jahren benennen und die bei der Politik und in der Presse angekommen sind. So lesen wir fast täglich Berichte zum Ärzte- und MFA-Mangel, zu wenig Studienplätze, zunehmender Bürokratie, weiter bestehende Regreß- und Budgetsorgen bis hin zu Krankenhaussterben und Hackerangriffen auf Einrichtungen des Gesundheitswesens.

In seinem Bericht zur Lage bemängelt Dr. Markus Strauß, der Vorsitzende des Facharztforum Saar, den Status der angekündigten Reformgesetze. Bisher umgesetzt ist neben der Verlängerung der Sprechstundenpflicht in den Praxen um 25% ohne Gegenleistung nur die Canabislegalisierung und der fraglich nützliche Bundes-Klinik-Atlas.
Die demografischen Probleme einer zunehmenden Überalterung sowohl der Gesellschaft als auch der Ärzteschaft sind zwar adressiert, bleiben aber weiter ungelöst.  Die Krankenhaus- und die Notfallreformen stocken und die Zeit läuft allen davon. Die Ärzteschaft ist verunsichert bezüglich ihrer zukünftigen Stellung und den Arbeitsbedingungen.
Die zunächst intelligente Idee die Ambulantisierung bisher stationärer Leistungen zu fördern, wird aus unserer Sicht wieder dadurch gebremst, dass sie innerhalb der Krankenhäuser geschehen soll. Die Verlagerung hin zu den niedergelassenen Fachärztinnen und Fachärzten würde eine effiziente, fachlich hochwertige und flächendeckende Versorgung ermöglichen. Wir vermissen das Bekenntnis zur fachärztlichen Versorgung in den Praxen.
Stattdessen wird von Prof. Lauterbach wieder die nicht existente „doppelte Facharztschiene“ bemüht, um die Ärzteschaft in staatsmedizinisch geprägte Einrichtungen zu drängen. Zurecht stellt die Politik fest, dass die Digitalisierung in Deutschland hinterherhingt. Dies ist aber kein hinreichender Grund diese dysfunktionale TI-Struktur ohne erfolgreiche Feldversuche und ohne Einbeziehung der Ärzteschaft einzuführen.

Dann verlass er folgende Einlassung des Bundesgesundheitsministers im Juni 2024:
Insgesamt werde Digitalisierung und Künstliche Intelligenz im Gesundheitswesen das Leben leichter machen. „Wenn man heute zum Arzt geht, ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Arzt alle Befunde da hat, geringer als zehn Prozent“, sagte er. Das werde durch die elektronische Patientenakte der Vergangenheit angehören. „Alles ist dann immer schon da.“
Das Auditorium bedachte diese Aussagen überwiegend mit schmunzelndem  Kopfschütteln. Um Klarheit in die aktuell gehypte KI zu bringen, lautete der Titel des Hauptvortrages:
Digitalisierung und KI: Chancen und Risiken für Arzt und Patient ?

Doch zunächst boten 10 Fachärztinnen und Fachärzten interessante Updates aus den verschiedensten Fachrichtungen in kurzweiligen Vorträgen. Dr. Kai van Bentum moderierte in rund 90 min medizinische Innovationen aus den Fachgebieten: Diabetologie, Orthopädie, Schmerztherapie, Urologie, Psychiatrie, Neurologie, Nephrologie, HNO, Kardiologie, Lipidologie, Rheumatologie, Gastroenterologie und Onkologie.
Im Hauptvortrag beleuchtete Dr. phil. Kevin Baum, der sowohl Informatiker als auch Philosoph ist, mit vielen Beispielen die Vorteile aber auch die Risiken von KI insbesondere im Bereich der Medizin.
….viel Schatten…..viel Licht, so eröffnete er seinen Vortrag und beschrieb die berüchtigte KI-Blackbox. In einer Risiko-Pyramide ist bei PC-Spielen das Risiko des KI Einsatzes gering, während es in der Medizin hoch ist. Jedem ist die Problematik der KI beim autonomen Fahren bekannt.
Zum Nachdenken kommt man, wenn man erfährt, dass Dr. Geoffrey Hinton, der Erfinder des Chat-GPT in 2023 Google verlassen hat und vor Gefahren dieser Technologie gewarnt hat.
Natürlich kann KI bei der Diagnostik sehr hilfreich sein, wenn sie gut programmiert ist. Das zeigen Beispiele in der Radiologie oder in der Erkennung von Hautveränderungen. Schwierig wird es, wenn die KI Therapie-Entscheidungen trifft, die andere Umstände, wie z.B. persönliche Situation und den Willen des Patienten, aber auch die Erfahrung des behandelnden Ärzteteams nicht berücksichtigt.
Daher ergibt sich die Forderung nach der Menschlichen Aufsicht (Human Oversight).
Die KI muss eine Assistenz in der ärztlichen Diagnostik und Therapie bleiben. Sie kann den Arzt / die Ärztin nicht vollständig ersetzen. Ganz abgesehen von den Haftungsfragen bei Schäden.

Seine Zusammenfassung lautet:
Sowohl die Chancen als auch die Risiken sind… vielfältig.
Sie gegeneinander abzuwägen ist eine zentrale Herausforderung unserer Zeit.

  • Diese Herausforderung benötigt technische sowie dezidiert nicht technische Lösungen and Ansätze.
  • KI alleine macht (mathematisch notwendigerweise) systematische Fehler.
  • Das menschliche Element (oder hipper, der Human Factor) ist wesentlich.
  • Dazu gehört auch, die entsprechenden Menschen zu hören und fortzubilden.
  • Im Saarland gibt es nicht nur viel Forschung zu diesen Themen, sondern auch ansonsten ein lebendiges Ökosystem – das ist eine großartige Chance!
  • KI ist und bleibt ein Werkzeug und darf nicht als Allzweckwaffe verstanden werden.
  • Die wünschenswerten Effekte, die es zweifelsohne gibt, kommen nicht nur durch die Einführung von Technik zur Geltung.
  • Es braucht viel mehr. (Stichworte: Risikomanagement, Akzeptanz, Vertrauen, Management von Abhängigkeiten, „Wege zurück“, Weiterbildung, Aufklärung, Empirie…)

In der anschließenden ausführlichen Podiumsdiskussion wurden insbesondere die Fragen zum Einsatz der KI in Grenzfragen des Lebens beleuchtet, aber auch die Sorgen von Missbrauch durch Dritte.

Zum Abschluss zitiert Dr. Strauß den Autor Dr. Meißner: Nicht Daten sind die entscheidende Währung im Gesundheitswesen, sondern Schweigepflicht sowie Vertrauen – auch darauf, dass das Gesagte im Raum bleibt, und nicht andere Interessen als Behandlung und Beratung eine Rolle spielen.

Im berufspolitischen Schlußsatz erneuert er das Angebot an die Politik und die Krankenkassen: Die Ärzteschaft ist bereit den nötigen Reformprozess mitzugestalten. Dazu fordern wir aber auch die Einbindung in die Gesetzgebung.

 

Impressionen von der Veranstaltung 2024